Die nationale Strategie gegen Rassismus und Antisemitismus setzt ambitionierte Leitlinien – ob diese wirksam sein werden, hängt laut der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus von der Umsetzung ab.
Der Bundesrat hat kürzlich erstmals eine nationale Strategie gegen Rassismus und Antisemitismus vorgelegt (tachles berichtet). Das 15-seitige Dokument soll Bund, Kantonen und Gemeinden einen gemeinsamen Rahmen geben und bestehende Lücken sowie Unterschiede zwischen den Kantonen schliessen. Vorgesehen sind vier zentrale Handlungsfelder, von Monitoring über Opferschutz bis zur institutionellen Verankerung, sowie ein Aktionsplan, der ab kommendem Jahr erarbeitet wird. Anlass für die Strategie sind steigende Fallzahlen: 2024 gaben rund 17 Prozent der Bevölkerung an, in den letzten fünf Jahren rassistische Diskriminierung erlebt zu haben.
Offene Fragen und unzureichende Grundlagen
Aus Sicht der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) markiert die neue Strategie zwar einen wichtigen Schritt, lässt aber zentrale Fragen offen. «Die Strategie schafft erstmals einen gemeinsamen Rahmen für Prävention und Monitoring», sagt GRA-Geschäftsleiter Philip Bessermann. Gleichzeitig bleibe sie jedoch «bei Zuständigkeiten und Umsetzungstiefe unklar». Ob daraus tatsächlicher Fortschritt entstehe, hänge entscheidend vom angekündigten Aktionsplan ab.
Kritisch beurteilt die GRA vor allem die weiterhin unzureichende wissenschaftliche Grundlage. Zwar erkenne der Bundesrat in der Strategie selbst den Bedarf an besseren Daten und mehr Forschung an, «operativ bleibt aber offen, wer diese Aufgaben tragen soll», so Bessermann. Heute würden Forschung, Monitoring und Wirkungsevaluation oft von Minderheiten oder direkt Betroffenen übernommen. Das halte er für strukturell problematisch. «Hochschulen müssten Forschung, Monitoring und Wirkungsevaluation dauerhaft übernehmen und dafür ausgestattet werden», fordert Bessermann. Meldestellen sollten hingegen weiterhin bei Betroffenenorganisationen angesiedelt bleiben, «weil diese ein hohes Vertrauen in den Communitys haben».
Es liegt in der Umsetzung
Auch der breite Rassismusbegriff der Strategie überzeugt die GRA nur teilweise. Er sei hilfreich, um gemeinsame Muster sichtbar zu machen, trage aber Risiken. «Ein breiter Begriff dient dazu, gemeinsame Muster zu erkennen», sagt Bessermann. «Er birgt jedoch das Risiko, spezifische Formen von Antisemitismus zu verwässern.» Besonders problematisch sei dies beim israelbezogenen Antisemitismus, der sich «seit zwei Jahren deutlich verhärtet» habe. Wirksam seien nur Massnahmen, «die wesentliche Unterschiede klar benennen und Ansätze so entwickeln, dass tatsächliche Probleme angegangen werden».
Entscheidend sei nun die konkrete Ausgestaltung des Aktionsplans. «Die Strategie setzt gute Leitlinien», sagt Bessermann, «ohne zusätzliche Ressourcen bleiben sie jedoch wirkungslos.» Der Aktionsplan müsse deshalb verbindlich klären, «wer was mit welchen Mitteln umsetzt – und auf welcher wissenschaftlichen Grundlage». Die GRA wolle den Prozess konstruktiv begleiten, messe den Erfolg der Strategie jedoch nicht an ihrem Anspruch, sondern an ihrer tatsächlichen Wirkung.