Jerusalem 28. Jul 2025

Scharfe Kritik von israelischen NGOs und Universitäten

Menschen in Gaza am vergangenen Samstag - die humanitäre Lage ist drastisch.

NGOs sprechen von Völkermord, IDF relativiert Vorwürfe gegen Hamas – Widerstand aus der Wissenschaft.  

Im Zuge des anhaltenden Gaza-Kriegs verschärft sich die öffentliche Debatte über die israelische Militärstrategie drastisch – sowohl in Israel selbst als auch international. Drei aktuelle Entwicklungen werfen ein Schlaglicht auf die wachsende gesellschaftliche, politische und moralische Kluft rund um das Vorgehen der israelischen Regierung.
In einem ausführlichen Positionspapier, das Mitte Juli veröffentlicht wurde, werfen mehrere israelische Menschenrechtsorganisationen – darunter B’Tselem, Breaking the Silence und Zochrot – der israelischen Regierung und dem Militär schwerwiegendste Verbrechen vor. Das Dokument bezeichnet das militärische Vorgehen im Gazastreifen erstmals explizit als Völkermord im Sinne der UNO-Völkermordkonvention.
Die Analysen des Berichts stützen sich auf Berichte aus der Kriegszone, Satellitenbilder, Aussagen von Soldaten, sowie öffentliche Stellungnahmen politischer Entscheidungsträger und Militärs. Die NGOs argumentieren, dass die Kombination aus anhaltendem massivem militärischen Beschuss, gezielter Zerstörung ziviler Infrastruktur, Blockade humanitärer Hilfe und rassistischer Rhetorik auf Regierungsebene den Tatbestand eines „Vorsatzes zur Vernichtung einer nationalen Gruppe“ erfüllen könnte.
Zentraler Bestandteil des Berichts ist die Einschätzung, dass Israel nicht allein sporadisch militärisch gegen Hamas vorgehe, sondern dass die hohe Zahl ziviler Todesopfer und die systematische Zerstörung von Lebensgrundlagen in Gaza „kein Kollateralschaden, sondern Teil der Kriegsstrategie“ seien. Die NGOs fordern ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen sowie eine unabhängige internationale Untersuchung durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH).

Parallel zu den Vorwürfen der NGOs geraten auch andere Narrative ins Wanken. Wie israelische Militärvertreter laut Medienberichten vom 26. Juli 2025 bestätigten, gibt es keine überzeugenden Beweise dafür, dass Hamas systematisch UN-Hilfslieferungen im Gazastreifen abgefangen und für eigene Zwecke missbraucht hat. Die UN-Verteilungsmechanismen würden weitgehend funktionieren; nur kleinere Organisationen seien gelegentlich betroffen gewesen. Ähnliche Einschätzungen vermeldet auch die US-Entwicklungsbehörde USAID, deren Analysen keine Hinweise auf eine massenhafte Umleitung US-finanzierter Hilfsgüter durch Hamas liefern. Zugleich warnen die Vereinten Nationen und andere Hilfsorganisationen weiter vor einer akuten humanitären Katastrophe in Gaza, resultierend aus den Blockaden und Kriegshandlungen.
Scharfe Kritik kommt indessen der akademischen Welt: Mehr als 1500 israelische Professorinnen und Professoren unterzeichneten einen offenen Brief, in dem sie die Regierung scharf kritisieren und zum sofortigen Kurswechsel aufrufen. Der Brief wurde am 24. Juli veröffentlicht und richtet sich direkt an die israelische Öffentlichkeit und politische Führung.
Die Unterzeichnenden stammen aus Universitäten wie der Hebräischen Universität in Jerusalem, der Universität Tel Aviv und dem Technion in Haifa. In ihrem Schreiben sprechen sie von einem „moralischen und rechtlichen Abgrund“, in den sich Israel mit seiner Politik gegenüber Gaza begebe. Die Militärkampagne und die kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung beschädigten nicht nur Israels internationales Ansehen, sondern gefährdeten auch seine demokratische Substanz von innen heraus.
Der Brief betont, dass Kritik an der gegenwärtigen Politik nicht antisemitisch sei, sondern Ausdruck eines ethischen und akademischen Verantwortungsgefühls. Er fordert sofortige diplomatische Schritte zur Waffenruhe, umfangreiche humanitäre Hilfsmassnahmen – und eine parlamentarische Untersuchung des bisherigen Kriegskurses.
 

Redaktion