Washington 23. Dez 2025

«Ich muss auch ein jüdisches Zuhause haben»

Rabbiner Levi Shemtov

Rabbiner Levi Shemtov über seine Rolle als «Menora-Anzünder vom Dienst» in der amerikanischen Hauptstadt.  

Das jährliche Wetteifern um eine Eintrittskarte zur Chanukka-Feier im Weissen Haus bleibt eine der wenigen, parteiübergreifenden Traditionen Washingtons. Zumal die Veranstaltung heuer kleiner ausfiel als üblich, nachdem Trump den geräumigen Ostflügel abreissen liess. Eine feste Grösse bei den Chanukka-Feiern im Weissen Haus, aber auch im gesamten Regierungsviertel vom Pentagon über das Justizministerium bis zum Kapitol bleibt Rabbiner Levi Shemtov, der Geschäftsführer der American Friends of Lubavitch (Chabad) in der amerikanischenHauptstadt.

Der «Jewish Insider» nennt ihn den «inoffiziellen, obersten Menora-Anzünder Washingtons» und lässt Shemtov persönlich zu Wort kommen. Er sei während der Zweihundertjahrfeier der USA 1776 aufgewachsen und habe in seiner Tagesschule eine sehr patriotische Erziehung genossen. Er fühle sich seither sehr amerikanisch und empfinde in seiner Rolle bei den Hauptstadt-Feiern auch «einen tiefen jüdischen Stolz»: «Meine Grossväter auf beiden Elternseiten wurden verhaftet, inhaftiert, gefoltert und ins Exil geschickt, weil sie Juden waren, das Judentum praktizierten und jüdische Gemeinden leiteten.» Deshalb wolle er die Freiheit, «die wir hier so glücklicherweise geniessen …aktiv mit gestalten.»

Shemtov sieht die Menora als ein Symbol der Überparteilichkeit: «denn man hat vier Arme auf der einen Seite, vier auf der anderen und einen Schamasch in der Mitte… In der Zeit des Tempels …zeigten die Flammen von beiden Seiten zur Mitte, und die mittlere Flamme zeigte zum Himmel. Und das war die Verbindung des Göttlichen mit dieser Welt.»

Sein Vater Rabbiner Abraham Shemtov war massgeblich daran beteiligt, die öffentlichen Chanukka-Feierlichkeiten nach Washington zu bringen und nahm 1979 an der ersten Menora-Anzündung mit Präsident Jimmy Carter teil. Heuer traf ihn an Channukka beim Aufwachen an seinem Wohnsitz in Baltimore nördlich der Hauptstadt ein persönlicher Schock. Shemtovs Frau Nechama stammt aus Sydney und wohnte in der Nähe des Bondi Beach, wo am ersten Feiertag 15 Menschen von Terroristen getötet wurden.

Doch der Horror hielt Shemtov nicht davon ab, die Botschaft von Chanukka in Washington zu verbreiten. Die sei «eine Botschaft des Lebens, der Einheit, der Wärme und der Positivität». In diesem Jahr seie es ihm aber besonders wichtig gewesen, rechtzeitig aus Washington wieder zurück zu kommen, um seine eigene Menora anzuzünden: «Ich muss auch ein jüdisches Zuhause haben, nicht nur eine jüdische Botschaft nach aussen tragen» (Link).

Andreas Mink