Köln, Juni 2024. Der Wasserstand auf dem Rhein ist hoch. Durch die Wolken bricht die Sonne durch. Das dialektische Wolkenspiel auf Europas wichtigstem Fluss, könnte nicht sinnbildlicher sein am Tag nach den Europawahlen: Wird er zur Bedrohung, folgt das Hochwasser, der Dammbruch, die unbremsbare Kaskade und Eigendynamik tsunamischer Veränderungen? Oder bleibt der Fluss die stabilisierende Lebensader, die Menschen nicht mehr trennt, sondern eint? Was die Europawahlen vom Wochenende für Menschen-, Minderheiten- oder Migrationsrechte, was sie für Religions- oder die Freiheit schlechthin bedeuten, wird die anstehende Legislatur zeigen. Der Rhein vereint die vielen jüdischen Zentren von Basel, Worms, Speier bis in den Norden nach Rotterdam mit einer Geschichte der Ambivalenz, die sich heute für viele jüdische Menschen wieder zeigt: Ist Europa der sichere Hafen oder bleibt der tief verankerte Judenhass auch nach 1945 eine existentielle Gefahr? Die Populisten, Extremisten, Demagogen sitzen nun im Europaparlament. Zynische Pragmatiker sehen darin Gutes für Israel und in Teilen für Jüdinnen und Juden. Doch sehende Realisten wissen, der Pakt mit den einstigen Teufeln ist nie einer, der gut gehen wird. Daher gilt: Die Zentrumsdemokraten müssen Europa stabilisieren und damit berechtigte und ungerechtfertigte jüdische Ängste auflösen. Der Lackmustest beginnt immer da.
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.
das jüdische logbuch
11. Jun 2024
Gegen Europas Strom
Yves Kugelmann