Tom Stoppard 05. Dez 2025

Verlust

Der britisch-jüdische Dramatiker Tom Stoppard ist im Alter von 88 Jahren in seinem Haus in Dorset verstorben. Wie seine Agentur mitteilte, starb er «friedlich» im Kreis seiner Familie. Stoppard galt als einer der bedeutendsten englischsprachigen Theaterautoren seiner Generation und wurde für seinen Witz, seine intellektuelle Brillanz und seine tiefe Menschlichkeit gefeiert. Mit dem Drehbuch zu «Shakespeare in Love» gewann er 1998 den Oscar, insgesamt fünf seiner Stücke erhielten den Tony Award. Geboren wurde er 1937 als Tomás Sträussler in Zlín in der damaligen Tschechoslowakei. Die Familie floh 1939 vor den Nationalsozialisten nach Singapur und später nach Indien; Stoppards Vater kam auf der Flucht ums Leben. 1946 heiratete seine Mutter einen britischen Offizier, und Stoppard begann in England ein neues Leben: «Ich habe mir die Englishness wie einen Mantel angezogen», sagte er später. Erst in den 1990er Jahren erfuhr er durch Verwandte die ganze Wahrheit über seine Herkunft: Dass alle vier Grosseltern und mehrere Angehörige in Konzentrationslagern ermordet wurden. Diese späte Konfrontation prägte sein letztes grosses Werk «Leopoldstadt», ein eindringendes Drama über die Geschichte einer jüdischen Familie im Wien des 20. Jahrhunderts, ein Stück über Verlust, Identität und Erinnerung, das 2023 den Tony Award gewann und vielfach als sein emotionalstes bezeichnet wurde. Stoppards Werk kreist um existenzielle Fragen: über Wahrheit und Sprache, Zufall und Geschichte, die Bruchstellen menschlicher Biografie. Seine Figuren sind Suchende, vom Schicksal überrollt, voller Sehnsucht und Schmerz und doch getragen von Humor und intellektueller Eleganz.

Emily Langloh