Der Nahe Osten könnte in einer entscheidenden Umbruchphase sein – doch im Moment hängt alles von einem Mann ab, der den Konjunktiv blockiert.
Erinnert sich noch jemand an einen gewissen Mahmud Abbas? Er ist der amtierende Palästinenserpräsident. Seit 2005. Damals wurde er für vier Jahre gewählt. Seither ist er im Amt, ohne Neuwahlen, doch das sind ja nur Petitessen. Um den 89-jährigen Greis, der immer erratischer erscheint, wurde es in letzter Zeit ziemlich still. Israels Premier Netanyahu will mit ihm und seiner Palästinensischen Autonomiebehörde nichts zu tun haben, sein eigenes Volk misstraut ihm und verachtet ihn zutiefst. Doch in diesen Tagen hat er mal wieder ein Lebenszeichen von sich gegeben. Er bezeichnete die Hamas als «Hundesöhne» und forderte sie auf, die israelischen Geiseln endlich herauszugeben, damit das palästinensische Volk in Gaza nicht mehr diesen ungeheuerlichen Blutzoll zahlen muss. Und dann hat er noch einen Nachfolger für sich eingesetzt: Hussein al-Scheich. Der bisherige Generalsekretär der PLO gilt als ein enger Vertrauter von Abbas und wurde nun zum Vizepräsidenten der palästinensischen Autonomieverwaltung und stellvertretenden Vorsitzenden der PLO berufen. Sein Chef ist in beiden Fällen Mahmud Abbas. Sollte dieser sterben, dann könnte al-Scheich ihn einfach beerben. Ohne Wahlen. Wie praktisch.
Sinnloser Kampf
Spielt das irgendeine Rolle? Nein, nicht im geringsten, auch wenn vermutet wird, dass die «Hundesöhne»-Episode mit Ägypten abgesprochen war. Präsident al-Sisi in Kairo wollte Druck auf die Islamisten in Gaza ausüben. Auch das, nichts als heisse Luft. Denn egal, welche Bemühungen um einen erneuten Waffenstillstand bislang gemacht wurden, sie brachten nichts. Aus einem einzigen Grund: Weil Benjamin Netanyahu es nicht will und die Hamas ebensowenig. Die Gründe sind bekannt. Und so kämpft die IDF einen immer sinnloseren Kampf in Gaza, der nur dazu führen wird, dass die Verluste auf israelischer Seite zunehmen werden, die Geiseln von Bomben getroffen oder von der Hamas ermordet werden könnten und die palästinensische Zivilbevölkerung in ein immer grösseres Elend gestossen wird. In Gaza spricht man nur noch von einem langsamen oder einem schnellen Tod. Der langsame: allmähliches Verhungern, da Israel seit Wochen keine Hilfslieferungen in den Küstenstreifen lässt. Der schnelle: Bomben der IAF. Vom Leben reden die Gazaner schon längst nicht mehr.
So geht das blutige Grauen einfach weiter. Die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah kann nichts ausrichten, die arabischen Staaten auch nicht (falls sie es überhaupt wollen), die Europäer sind mit der Ukraine beschäftigt, bleibt also nur einer, der etwas verändern könnte. Nicht Netanyahu, sondern US-Präsident Donald Trump. Doch nach dessen anfänglichem Engagement, das immerhin zur Freilassung von 33 israelischen Geiseln und einem zweimonatigen Waffenstillstand führte, hat der «Gaza Riviera»-Spekulant offensichtlich fürs Erste sein Interesse an diesem Krieg verloren. Kein Wunder, er will endlich mit Russland und der Ukraine einen Frieden erreichen, und dann ist da auch noch der Iran, mit dem die USA inzwischen verhandeln.
Trump in Arabien
Doch in zwei Wochen wird Donald Trump nach Saudi-Arabien, Katar und in die Vereinigten Arabischen Emiraten reisen. Dort will der US-Präsident nicht nur gute Geschäfte abschliessen, sondern seinen Traum von einer Erweiterung der «Abraham Accords» weiterspinnen. Trump möchte unbedingt, dass die Saudis diesem Normalisierungsprozess mit Israel ebenso zustimmen wie dies schon die Emirate, Bahrain, Marokko und der Sudan getan haben. So viel ist sicher: Sollten die Saudis und Israel ganz offiziell diplomatische Beziehungen aufnehmen, wäre das im Nahen Osten ein wahres tektonisches Beben. Denn es entwickelt sich schon seit längerem eine neue Achse von friedenswilligen und sogenannt moderaten sunnitischen Staaten, die sich für eine Zusammenarbeit mit Israel offen zeigen. Die Abraham Abkommen gaben den Weg vor. Sollte jetzt noch Saudi-Arabien dazukommen, könnten auch bald Syrien und der Libanon folgen. Der neue starke Mann in Damaskus, Ahmed al-Shaara, hat vor wenigen Tagen angedeutet, dass man ein Interesse hätte, mit Israel ein Abkommen zu schliessen. Und in Beirut sitzt ein neuer Präsident, General Joseph Aoun, der die massiv geschwächte Hizbollah in ihre Schranken verweisen und mit Israel zumindest eine ruhige Nachbarschaft haben will. Es könnte sich also etwas bewegen im Nahen Osten, was für Israel ausserordentlich wäre. Die endgültige Anerkennung von seinen Nachbarn, davon träumt der jüdische Staat seit der Staatsgründung. Es wäre auch ein wichtiger strategischer Schritt hin zu einer gemeinsamen Front gegen den Iran, den alle fürchten.
Trump will das erreichen, er träumt ja auch vom Friedensnobelpreis. Doch da steht ihm Premier Netanyahu mit seinem Gaza-Krieg im Weg. Denn solange der nicht beendet ist, solange die Palästinenser dort nicht geschützt und betreut werden, solange Israel nicht bereit ist, den Palästinensern zumindest eine Zukunft in Aussicht zu stellen, solange können vor allem die Saudis den Israelis nicht offiziell die Hand reichen.
Klare Ansage
Der amerikanische Präsident dürfte in Riad einiges zu hören bekommen, was dem Narrativ Netanyahus widersprechen dürfte. Es bleibt abzuwarten, wie empfänglich Trump gegenüber Mohammed Bin Salmans Worten sein wird, dem starken Mann in Saudi-Arabien. Vielleicht wird Trump begreifen, dass er und nur er den Krieg in Gaza sofort beenden kann. Es genügt eine sehr klare Ansage an Jerusalem und das Kämpfen würde sofort aufhören. Anders als bei Joe Biden, kann sich Netanyahu nicht leisten, den Wünschen Trumps zu widersprechen.
Ob es also einen neuen Nahen Osten geben kann, ob Gaza endlich zur Ruhe und die israelischen Geiseln endlich freikommen, all das wird in Washington entschieden. Und in Riad. Mal sehen, was der Wonnemonat Mai der Region zu bescheren hat.