Im der letztwöchigen Ausgabe von tachles hat mich Martin Dreyfus in seinem Standpunkt massiv kritisiert, weil ich meinerseits auf unserer Website www.fokusisrael.ch den Vorstand des Jüdischen Forums Schweiz Gesher «nützliche Idioten im Dienste der Hamas» genannt hatte.
Zu diesem Urteil war ich gekommen, weil sich der Vorstand von Gesher – im Gegensatz zum Zürcher Regierungsrat – für die Aufnahme von kriegsversehrten Kindern aus Gaza in Zürich starkgemacht hatte. Dies, obschon sicher ist, dass die Begleitpersonen dieser Kinder entweder selbst der Hamas angehören oder dieser mindestens sehr nahestehen. Denn sonst hätte sie die palästinensische Terrororganisation nicht aus Gaza ausreisen lassen.
An dieser Kritik am Gesher-Vorstand halte ich fest, nachdem während meines Israel-Aufenthalts von vergangener Woche sämtliche Gesprächspartner, mit denen ich dieses Thema diskutierte, meine Auffassung teilten. Auch jene, die wie Gesher zum linken politischen Spektrum gehören.
Trotzdem kann ich natürlich gut damit leben, dass Martin Dreyfus anderer Meinung ist und mich für meine Äusserung heftig kritisierte. Denn Dialektik und eine kritische Auseinandersetzung, bei der Meinungen mitunter heftig aufeinanderprallen, gehören für mich zur DNA des Judentums. Ja, sie sind sogar einer der Gründe, weshalb ich gerne Jude bin und stolz, einer zu sein.
Erstaunt hat mich an Martin Dreyfus’ Kritik bloss eines: Das Zitat «Der grösste Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.», mit dem er meine Person betitelte.
Dieses Erstaunen hat weniger mit dem Umstand zu tun, dass ich nicht verstehe, was an meiner Kritik am Gesher-Vorstand «Denunziation» gewesen sein soll.
Mein Erstaunen bezieht sich vor allem auf den Umstand, dass Martin Dreyfus ein Zitat verwendete, das zwar vermutlich aus dem 19. Jahrhundert stammt, sich aber vor allem im nationalsozialistischen Deutschland grosser Beliebtheit erfreute.
So wird beispielsweise in dem 1935 erschienenen Ufa-Film «Der höhere Befehl» der französische Schurke und Widersacher des deutschen Helden mit genau dem von Martin Dreyfus verwendeten Zitat bedacht. Denn, so heisst es im 1981 erschienenen rororo-Katalog «Preussen im Film», dies war «eine durchaus populäre Aussage im Jahr 1935.»
Nun will ich Martin Dreyfus keineswegs unterstellen, es sei ihm bewusst gewesen, dass er sich mit dem Zitat «Der grösste Lump im ganzen Land, ist und bleibt der Denunziant» in beste Gesellschaft zu den Nazis begab.
Im Gegenteil, ich glaube, er tat dies – wie ja auch schon die falsche Verwendung des Begriffs «Denunziant» illustriert – aus völliger Ignoranz.
Deshalb möchte ich Martin Dreyfus eine Empfehlung mit auf seinen weiteren Lebensweg geben, die ich jeweils von meiner Mutter zu hören bekam, wenn ich wieder einmal völligen Blödsinn von mir gegeben hatte. Da es ein lateinisches Sprichwort ist, und ich nicht weiss, ob Herr Dreyfus diese Sprache versteht, übersetze ich es auch auf Deutsch: «Si tacuisses, philosophus mansisses – wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein Philosoph geblieben.»
Sacha Wigdorovits ist Präsident des Vereins Fokus Israel und Nahost, der die Website fokusisrael.ch betreibt. Er studierte an der Universität Zürich Geschichte, Germanistik und Sozialpsychologie und arbeitete unter anderem als USA-Korrespondent für die «SonntagsZeitung», war Chefredaktor des «Blick» und Mitbegründer der Pendlerzeitung «20 Minuten».
standpunkt
05. Dez 2025
Replik zur Kritik
Sacha Wigdorovits