zur lage in new york 12. Dez 2025

Das jüdische New York mit Mamdani

Zohran Mamdani, der am 1. Januar 2026 sein Amt als New Yorker Bürgermeister antreten wird, stammt aus einer berühmten Familie. Seine Mutter ist Mira Nair, eine indischstämmige Amerikanerin, die Filme wie «Mississippi Masala» und «Monsoon Wedding» gedreht hat — Komödien, die mit Recht internationale Preise gewannen. Der Vater von Zohran ist Mahmood Mamdani, ein hochkarätiger linksradikaler Intellektueller. Er wurde als Sohn muslimischer Eltern in Indien geboren, wuchs in Bombay auf und wurde vom ugandischen Diktator Idi Amin — wie alle Angehörigen der indischen Minorität — des Landes verwiesen. Mahmood Mamdanis Spezialgebiet sind die Folgen des Kolonialismus in Afrika. Er nahm als Experte in einem Film der BBC teil, in dem bezweifelt wurde, dass es einen Genozid in Ruanda gegeben habe. 2004 schrieb er ein Buch gegen die amerikanische Aussenpolitik, in dem er Selbstmordattentate rechtfertigte.

Zohran Mamdani gehört den Demokratischen Sozialisten Amerikas an. Dabei handelt es sich um eine kleine Gruppe innerhalb der Demokratischen Partei, die bis vor Kurzem, also bis 2016, eine Ansammlung von Sozialdemokraten war; Juden waren unter den Demokratischen Sozialisten übrigens deutlich überrepräsentiert. Nach 2016 wurde die Gruppe von neuen Mitgliedern förmlich überrannt; viele dieser Mitglieder waren, wie Zohran Mamdani, sehr jung. Gründe für den plötzlichen Boom waren Euphorie für die Präsidentschaftskandidatur von Bernie Sanders, später das Entsetzen über den Wahlsieg von Donald Trump. Die Folge war, dass die Demokratischen Sozialisten sich radikalisierten. 2017 traten sie aus der Sozialistischen Internationale aus und schlossen sich der BDS-Bewegung an, die israelische Produkte boykottiert, um die «israelische Besatzung» zu beenden. Mit «israelische Besatzung» ist ziemlich unverhohlen die Existenz Israels als jüdischer Staat gemeint.

Die Meinungen von Zohran Mamdani gehörten in der Blase, in der er sich bisher bewegt hat (der Upper West Side, dem Stadtviertel Park Slope in Brooklyn, der Columbia University) zum intellektuellen Mainstream. In dieser Blase gilt als ausgemacht, dass an allem Elend der Welt der Kapitalismus schuld sei, dass einzig und allein die europäische Variante des Kolonialismus verdammt werden müsse und dass es sich bei Israel um einen Apartheidstaat handle, ein koloniales Siedlerprojekt. Selbstverständlich gilt die Hamas in jener Blase als Befreiungsbewegung. Noch 2017 hat Zohran Mamdani in einem Rap-Video seine Liebe zu den Holy Land Five bekannt, einer Sympathisanten-Gruppe, die zwölf Millionen Dollar an die Hamas überwies. Lange weigerte er sich, den Slogan «Globalisiert die Intifada» zu verdammen, der, wenn man ihn wörtlich nimmt, eine Kriegserklärung an alle Juden der Welt bedeutet.

Heisst das, dass den New Yorker Juden jetzt Furchtbares droht? Stehen Pogrome bevor? Nein.

Wenn Zohran Mamdani sein Amt antritt, wird er sich zum ersten Mal in seinem Leben mit Leuten auseinandersetzen müssen, die nicht zu seiner ideologischen Blase gehören. Da ist etwa Jessica Tisch, die Polizeipräsidentin von New York. Tisch entstammt einer alteingesessenen und einflussreichen jüdischen Familie, und sie hat schon zu verstehen gegeben, dass sie gar nicht daran denkt, jetzt zurückzutreten. Da ist Mark Levine, der zukünftige Finanzminister der Stadt New York, der fliessend Hebräisch spricht und in Interviews gesagt hat, die Stadt New York werde auch künftig in israelische Staatsanleihen investieren. Da ist Kathy Hochul, die Gouverneurin des Bundesstaates New York, die dem New Yorker Bürgermeister übergeordnet ist und keinen Zweifel daran lässt, dass sie das Lebensrecht des Staates Israel unterstützt. Zurzeit denkt Hochul über ein Gesetz nach, das Pro-Hamas-Demonstrationen, die, solange sie friedlich bleiben und daher nach amerikanischem Recht nicht verboten werden dürfen, die Auflage erteilen würde, sieben Meter Abstand zu Synagogen zu halten, wodurch es den Demonstranten erschwert würde, die Betenden zu belästigen. Schon während seines Wahlkampfs hat Zohran Mamdani den Kontakt zu jüdischen Gemeinden gesucht. Er hat versprochen, den Schutz jüdischer Einrichtungen zu verstärken. Er ist ein Feind des Staates Israel, aber nicht der eineinhalb Millionen New Yorker Juden, von denen ihm immerhin ein Drittel seine Stimme gegeben hat.

Gewählt worden ist Zohran Mamdani nicht wegen seines Antizionismus, sondern wegen seiner Wirtschaftspolitik. Tatsächlich war die Stadt New York immer schweineteuer, aber in den vergangenen paar Jahren steigerten sich die Lebenshaltungskosten ins Absurde – auch durch Trumps Wirtschaftspolitik, die Lebensmittelpreise und Krankenkassenbeiträge in ganz Amerika in die Höhe getrieben hat. Junge New Yorker können es sich nicht mehr leisten, abends auszugehen. Sie können ihre Mieten nicht mehr bezahlen. Sie hangeln sich mit Mühe von einem Monatsgehalt zum nächsten.

Leider sind die Vorschläge, die Mamdani zur Lösung des Problems macht, nicht sonderlich gut durchdacht. Der Mietendeckel, den er einführen will, wird dazu führen, dass in New York nichts mehr gebaut wird, also noch weniger Wohnraum zur Verfügung steht. Die Gratisbusse, die er zur Verfügung stellen will, werden Obdachlosen als Nachtlager dienen, was zur Folge haben wird, dass niemand mehr Busse nehmen wird. Die von der Stadt betriebenen Lebensmittelläden, in denen nach Mamdanis Willen verbilligtes Gemüse verkauft werden soll, werden binnen kürzester Zeit pleite sein. Viele seiner Anhänger verehren Mamdani wie einen Messias: Die Erfahrung lehrt, dass Messiasse ihre Anhänger meistens enttäuschen.

Bleibt am Ende Mamdanis Versprechen, Binyamin Netanyahu, den israelischen Premierminister, zu verhaften und an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu überstellen, wenn er sich das nächste Mal in der Stadt blicken lässt. Hier hat Mamdani sich selber ein Dilemma in den Weg gelegt, denn eigentlich gibt es nur zwei Szenarien. Erstens: Mamdani lässt Netanyahu in Ruhe, wenn er das nächste Mal in New York auftaucht, um vor den Vereinten Nationen eine Rede zu halten. In diesem Fall werden seine Anhänger gegen ihn rebellieren und ihn einen Verräter nennen. Zweitens: Der neue Bürgermeister versucht tatsächlich, Netanyahu verhaften zu lassen. Das wird dann so sein, als habe er eine Dynamitstange angezündet: Massendemonstrationen dafür und dagegen, Rücktritte leitender Angestellter der Stadtverwaltung, ein Veto der Gouverneurin, vielleicht ein willkommener Vorwand für Donald Trump, um Truppen in die Stadt zu schicken, auf jeden Fall aber das Ende der Amtszeit von Zohran Mamdani

Hannes Stein ist Journalist und lebt in New York.

Hannes Stein