Heute Donnerstagabend tritt die israelische Teilnehmerin des Eurovision Songcontest Yuval Raphael beim zweiten Halbfinal auf. tachles online hat sie in Basel interviewt.
tachles: Was bedeutet es für Sie, dass der Eurovision Song Contest ausgerechnet in der Schweiz stattfindet?
Yuval Raphael: In dem Moment, als ich erfahren habe, dass es in der Schweiz sein wird – noch bevor ich wusste, ob ich wirklich dabei sein werde, habe ich meiner Mutter gesagt, dass es eine unglaubliche Erfahrung wäre und es sich anfühlt, als würde sich der Kreis schlies¬sen. Die Schweiz hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen.
Sie haben als Kind drei Jahre in Genf gelebt.
Ja, ich verbinde so viele prägende Erinnerungen mit dieser Zeit; es war ein wunderschöner Abschnitt meiner Kindheit. Ich glaube, ich habe damals viel über mich selbst gelernt. Deshalb bin ich jetzt unglaublich aufgeregt und voller Vorfreude.
Haben Sie den Geist von Theodor Herzl gespürt, als Sie erstmals durch Basel an der Gründungsstätte Israels vorbeikamen?
Natürlich. Es ist einfach unglaublich. Ich weiss gar nicht, wie ich es sagen soll – aber die Vorstellung, dass die zionistische Bewegung hier ihren Anfang genommen hat und das wirklich hier passiert ist, ist verrückt.
Wie fühlt es sich für Sie an, Israel gerade in Basel beim ESC zu vertreten?
Wow, ich bin so stolz, so geehrt, so aufgeregt. Hoffentlich liefere ich eine gute Performance ab und mache Israel sehr stolz.
Bei der Eröffnung von Sonntag kam es zu Protesten. Hatten Sie damit gerechnet?
Definitiv, ja. Wir wussten, was im letzten Jahr geschehen ist, und ich wollte gut vorbereitet hierherkommen. Ich habe mich mental darauf eingestellt und mich dementsprechend vorbereitet.
Sie wurden am Sonntag sogar von einem Mann mit Keffiah und palästinensischer Flagge bedroht und der israelische TV-Sender «Kan» hat eine Beschwerde bei der Polizei eingereicht. Wie haben Sie die Situation erlebt?
Die gesamte Eröffnungsfeier war intensiv und stellenweise beängstigend. Aber ich habe das beste Team um mich – und meine Mutter ist auch dabei.
Was gibt Ihnen in solchen Momenten Halt?
Meine Familie und mein Team. Sie alle erinnern mich daran, warum wir hier sind: für die Musik, für die Liebe. Wie das Motto sagt: Wir sind durch Musik vereint. Ich versuche, all das andere beiseitezuschieben und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Und das wäre?
Einen möglichst guten, starken und würdigen Auftritt zu zeigen und mein Land stolz zu machen.
Machen Sie sich denn Sorgen um Ihre Sicherheit oder die Ihres Teams?
Ich vertraue meinem Team und allen, die hinter uns stehen, dass sie uns so viel Sicherheit geben wie möglich. Weil ich dieses Vertrauen habe, kann ich mich voll auf das konzentrieren, was zählt – den Song und die Performance.
Hatten Sie Kontakt zur letztjährigen israelischen ESC-Kandidatin Eden Golan?
Ja, ich habe Eden Golan getroffen. Die beeindruckende Eden Golan! Sie war im letzten Jahr grossartig und hat uns alle unglaublich stolz gemacht.
Was haben Sie zueinander gesagt?
Wir haben uns in Israel gesehen und uns über diese intensive Erfahrung ausgetauscht. Es ist etwas Gewaltiges, so lange auf ein Ziel hinzuarbeiten und jeden Tag damit zu leben, davon zu träumen, morgens mit diesem Gedanken aufzuwachen, drei Monate lang ohne Pause daran zu arbeiten.
Was haben Sie aus diesem Gespräch mitgenommen?
Wir haben unsere Gedanken und Erlebnisse geteilt und uns gegenseitig daran erinnert, wie wichtig es ist, den Zweck nicht aus den Augen zu verlieren: Du trägst eine Botschaft, du stehst für ein Land, das auf dich zählt – und das du stolz machen willst. Dafür braucht es absolute Fokussierung.
Und was ist denn Ihre Botschaft – was wollen Sie mit Ihrem Song «New Day Will Rise» sagen?
Ich finde, das Lied hat einen wunderschönen Text. Es spricht von etwas, das uns alle verbindet: Gefühle. Es gibt eine Zeile im Song, die lautet: «Everyone cries, don’t cry alone.» («Jeder weint, weine nicht allein.») Niemand von uns ist immun dagegen. Jeder Mensch auf dieser Welt hat schon geweint und schöne und schwierige Momente erlebt.
Was möchten Sie den Menschen mitgeben?
Wir sollten einander annehmen, so wie wir sind. Wir sollten füreinander da sein. Weinen sollte nicht als etwas Schlechtes gesehen werden, sondern als eine Möglichkeit der Seele, Gefühle auszudrücken und loszulassen. Es geht darum, einander zu verstehen und zu akzeptieren. So einfach ist es eigentlich.
Es geht auch um die Geiseln.
Ja, etwas ist mir unglaublich wichtig – die Geiseln, sie hätten schon längst zu Hause sein sollen. Ich hoffe so sehr, dass sie bis zu unserer Rückkehr alle wieder daheim sind. Wir müssen sie jetzt nach Hause bringen.