USA – Jüdische Organisationen 19. Jun 2025

«Jonathan, lies dein verdammtes Buch!»

Jonathan Greenblatt im vergangenen März.

Vorstand in Philadelphia verlässt ADL aus Protest gegen CEO Greenblatt.

Wie nun bekannt wird, hat der Anwalt Steven Ludwig mit einem Schreiben an CEO Jonathan Greenblatt bereits im Mai seinen Posten als Vorstands-Vorsitzenden der Anti-Defamation League in Philadelphia aufgegeben. Ludwig hatte sich über 30 Jahre lang für die Bürgerrechts-Organisation engagiert und gibt dem «Forward» Auskunft über seine Motive. Er wirft der ADL unter Greenblatts Führung einen Bruch mit der Tradition einer engen Zusammenarbeit mit anderen Bürgerrechts-Organisationen vor und schreibt: «Dieser Fokus wurde anscheinend aufgegeben und dafür wurde entschieden ein Bündnis mit Kräften einzugehen, die Antisemitismus fälschlicherweise als Deckmantel für die Durchsetzung von Autoritarismus nutzen.»

Ludwig äussert damit eine Kritik jüdischer Exponenten wie der Rabbinerin Sharon Brous in Los Angeles an der Trump-Regierung, die seit März immer lauter wird. Vergangene Woche löste Greenblatt mit seinen Äusserungen vor der Jahrestagung republikanischer Generalstaatsanwälte Empörung aus, in denen er an pro-palästinensischen Demonstrationen beteiligte Studierende mit Hamas-Terroristen verglich.

Ludwig erklärte dem «Forward», er unterstütze weiterhin die Arbeit der ADL bei der Beobachtung von Extremismus an Bildungsanstalten. Er wirft Greenblatt aber vor, seit der Rückkehr Trumps ins Weisse Haus das historische Engagement der ADL für Bürgerrechtsthemen wie Wahl- und Einwanderungsrecht, Rechtsstaatlichkeit und freie Meinungsäusserung aufgegeben zu haben: «In den letzten vier Monaten hat die ADL es versäumt, sich gegen die Verbreitung von Hass, die Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit und die Bedrohung durch Autoritarismus zu wehren.» 

Greenblatt hatte 2022 vor der Errichtung einer Diktatur in den USA in seinem Buch «It Could Happen Here» gewarnt. Ludwig nahm darauf in dem Brief Bezug, so der «Forward»: «Es könnte nicht nur hier passieren, Jonathan, es passiert hier… Lies dein verdammtes Buch!» (Link).
 

Andreas Mink