Die pro-palästinensische Kundgebung vom Sonntag hat ein politisches Nachspiel - der Regierungsrat muss sich einige Fragen gefallen lassen.
Am Sonntag protestierten rund 150 Aktivisten während der Eröffnungszeremonie des Eurovision Song Contest (ESC) gegen die Teilnahme Israels am Wettbewerb (tachles online berichtete). Trotz der Kundgebung bilanzierte das Präsidialdepartement des Kantons Basel-Stadt, es sei ein «gelungener Start» des Eurovision Song Contest 2025 gewesen. Die Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann hatte im Vorfeld des ESC darauf hingewiesen, dass sie Demonstrationen nicht einfach verbieten wolle. Das Ziel seien friedliche Kundgebungen. Martin Green, Direktor des Eurovision Song Contests, sagt gegenüber dem «Blick», der Protest am Sonntag beschreibt er als «friedlich und gesittet», er spricht ferner von einem legitimen Ausdruck demokratischer Meinungsfreiheit.
Ein Zwischenfall vom Sonntag zieht allerdings Konsequenzen nach sich. An der Schifflände soll ein Pro-Palästina-Aktivisten eine Morddrohungsgeste in Richtung der israelischen Delegation gezeigt haben. Dies ist auf einen Video festgehalten worden, der Film geht nun um die Welt. Die israelische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Kan hat Anzeige bei der Basler Polizei erstattet. Auch politisch wird der Vorfall ein Nachspiel haben. Vielleicht kommt das Thema bereits am Mittwoch im Grossen Rat auf den Tisch. Denn FDP-Grossrat Johannes Barth hat eine Interpellation eingereicht, in der er vom Regierungsrat wissen will, wie er die Tatsache bewerte, dass Demonstrierende das offizielle Tram der Delegation über eine längere Strecke mit Drohgesten, provokativen Rufen und einschüchternder Präsenz habe begleiten können. Laut Barth sei das Recht auf freie Meinungsäusserung und Demonstration ist ein zentrales Grundrecht. «Es endet jedoch dort, wo gezielte Einschüchterung beginnt.» Weiter fragt Barth nach möglichen rechtlichen Konsequenzen für Demoteilnehmer «etwa im Hinblick auf gezielte Drohung, Nötigung und Stalking».
Auch GLP-Grossrat Tobias Christ hat eine Interpellation eingereicht, in der er danach fragt, aus welchem Grund eine spontane Standkundgebung gegen «Antisemitismus rund um den ESC» vom Kanton keine Bewilligung erhalten habe. Als Grund für die Ablehnung wurde eine potenzielle Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genannt. Christ fragt unter anderem, welche Äusserungen, Positionen und Symbole denn die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit provoziert hätten. Eine weitere, dringliche Interpellation reichte die EVP ein. Wie die Partei der Basler Zeitung mitteilte, will sie unter anderem wissen, ob hier nicht «die Rechtsgleichheit verletzt wurde». Damit spielt sie auf die pro-Palästina-Kundgebung an, die zwar nicht bewilligt aber geduldet wurden. Ob eine unbewilligte Standaktion gegen Antisemitismus ebenfalls geduldet worden wäre, ist nicht bekannt, aber durchaus anzunehmen.
Das Sicherheitsdispositiv ist vor allem wegen der Kontroverse über die Teilnahme Israels am ESC gross. Die Politik ist gefordert, denn es sind weitere pro-Palästina-Demos im Laufe der Woche angekündigt. Es muss ihr gelingen, das Recht auf Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit ebenso wie die Sicherheit der Zehntausenden Besuchern in der Stadt zu garantieren. Regierungspräsident Conradin Cramer hat bereits im Vorfeld des ESC gegenüber tachles klar geäussert, dass Feindlichkeiten und Gewalt generell, aber auch Rassismus und insbesondere Antisemitismus in Basel keinen Platz haben (vgl. tachles 19/25).