das jüdische logbuch 07. Jan 2022

Juden gegen den Kunsthaus-Antisemitismus

Zürich, Januar 2022. Genug ist genug, konstatierten jüdische Exponentinnen und Exponenten in den letzten Wochen in der Causa Bührle und zur unverbesserlichen, sturen Haltung der involvierten Leitungsgremien und von Zürichs Regierung. Schrittweise wird zwar dem Druck nachgegeben, allerdings ohne Eingeständnis von Fehlern, mit rückwärtsgewandten Geschichtsbildern, mit stoischer Arroganz ohne Empathie gegenüber der Sache und der Kritik.

Die international renommierte Künstlerin Miriam Cahn kündigte in tachles den Rückzug ihrer Werke aus dem Kunsthaus Zürich an. Sie zog den Stecker, nach den geschichtsverzerrenden und -leugnenden Äusserungen vom Präsidenten der Sammlung Bührle Alexander Jolles an der Pressekonferenz des Kunsthaus in Zürich (vgl. tachles 50/2021).

Wie tachles-Recherchen haben ergeben, haben namentlich jüdische, aber auch andere Mitglieder der Kunsthausgesellschaft Zürich ihre Mitgliedschaft nach der Pressekonferenz des Kunsthauses begründet aufgekündigt. Quittiert wurden diese Kündigungen jeweils mit einem nüchternen formalen Brief ohne Eintreten auf die Sache. Auch in bei der Gesellschaft Kunstfreunde Zürich sind inzwischen Austritte von jüdischen Mitgliedern zu verzeichnen. Die Organisation will demnächst an einer Sitzung darüber sprechen.

In der «NZZ am Sonntag» intervenierte der Präsident des Jüdischen Weltkongresses Ronald S. Lauder mit einer Richtigstellung gegen die falsche Vereinnahmung durch Kunsthausdirektor Christoph Becker. Er behauptete an der Pressekonferenz des Kunsthauses Zürich, dass u. a. Ronald Lauder in die Erschaffung des weitherum kritisierten Dokumentationsraums zur Sammlung Bührle involviert waren. Lauder wurde gemäss Richtigstellung diesbezüglich nie kontaktiert oder involviert. Ebenso falsch war Beckers Aussage, dass keine Kritik aus Fachkreisen am Dokumentationsraum erfolgte. Immerhin haben u.a. die ehemaligen Mitglieder der Unabhängigen Expertenkommission Zweiter Weltkrieg massive öffentliche Kritik am Dokumentationsraum geübt.

Gestern Donnerstag schliesslich formulierte der abtretende Zürcher Stadtrat Richard Wolff in einem Interview in der WOZ aus, was Sache ist: «Das Kunsthaus muss rigoros über die Bücher. Die jämmerlichen Versuche, sich der Verantwortung zu entziehen und den Kopf in den Sand zu stecken, müssen ein Ende haben», wird Wolff zitiert. Er fordert eine Offenlegung des Vertrages zwischen dem Kunsthaus und der Bührle-Stiftung sowie eine unabhängige Provenienzforschung. Auch soll über eine Schenkung der Bührle-Sammlung an die Öffentlichkeit nachgedacht werden: «Entweder bezahlt die Stadt für den Unterhalt und die Sicherheit der Bilder und kann frei über sie verfügen und damit auch über die Darstellung der Geschichte und den Kontext, in dem die Bilder gezeigt werden. Oder die Bührle-Stiftung und die Familie Bührle bauen sich ihr eigenes ‹Kunsthaus› mit allen Konsequenzen.» Wolff, dessen Grossvater im Konzentrationslager Sachsenshausen ermordet wurde, benennt auch den Antisemitismus, der in der Zürcher Debatte zuletzt aufgetreten ist, in der WOZ klar. «Darin manifestiert sich ein Denken, dass die Juden schon wieder etwas von uns wollen.» Ein Denken, dass namentlich die Sozialdemokratische Partei Zürichs unter Führung von Corine Mauch bedingungslos zulässt und den Nazi-Kollaborateur und potentiellen Kriegsverbrecher Emil Bührle weisszuwaschen versuchte mit ihrem Kunsthaus-Projekt, das seit Monaten nach hinten losgeht. Da ändern tolle Besucherzahlen wenig, aber die Tatsache viel, dass eine Stadt namentlich Jüdinnen und Juden zwingt, in die Opposition zu gehen. Politikerinnen und Politiker mit Anstand hätten dieses tragische Schauspiel längst beendet, anstatt mit Salamipolitik das internationale Ansehen einer Stadt vollends zu demonitieren.

Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.

Yves Kugelmann